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Projekte und Herausforderungen
in der Entwicklung

29. November 2024 JOEST Deutschland
Einblicke Entwicklung Projekte Research & Development

Ein Bericht unseres Entwicklungsleiters Thomas Hypki.

Seit dem Mai 2023 kümmere ich mich hauptsächlich um die Entwicklung in unserem Unternehmen und das mit viel Leidenschaft. Zudem erfreut es mich, dass ich Mitarbeitende habe, die mit mir diesen Enthusiasmus teilen. Im Folgenden möchte ich ein paar Gedanken loswerden, die mir im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit in den Sinn kommen. Es soll auch ein Einblick gegeben werden, woran die Entwicklungsabteilung arbeitet, in welchen Themenfeldern sie unterwegs ist und was sie antreibt.

In den Medien hört und liest man Nachrichten und Schlagzeilen, die sich mit der Innovationsfähigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie befassen. Dort gibt es Beispiele wie die Firma Zeiss, die Linsen für die Belichtung von Halbleitermasken mit einer Präzision herstellt, bei der sämtliche Wettbewerber das Handtuch geworfen haben. Aber leider auch Nachfragen, ob die deutsche Automobilindustrie den Anschluss bei der Elektromobilität verloren hat.

Viele große Unternehmen sind untergegangen, weil sie den Wettbewerbern unterlegen sind. Andere sind entstanden und groß geworden, weil deren Inhaber der Meinung war, dass ein Handy an Stelle einer Tastatur ein berührungsempfindliches Display haben sollte.

Nur Innovationen erhalten die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, daher gehören diese beiden Begriffe zusammen. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch ihre Innovationskultur aus, an der alle Mitarbeiter teilhaben und die durchaus messbar ist. So wird häufig z.B. ermittelt, wieviel Prozent des Umsatzes mit Produkten erzielt werden, die jünger als 5 Jahre sind. Dabei ist das Scheitern einer Entwicklung akzeptiert. Wenn nur Vorhaben angefasst werden, deren Erfolg absolut sicher ist, wird es nur wenige Projekte geben, die in Angriff genommen werden.

Zusammengefasst: erfolgreiche Unternehmen sind von der Technologie getrieben.

Neue innovative Produkte führen bei unseren Kunden zu Investitionen, da sie Vorteile in Form von Qualitäts- und Kostenaspekten versprechen. Eine bestehende Maschine oder Anlage wird ersetzt, wenn durch die Erneuerung ein Vorteil erlangt wird. Verspricht das neue Equipment einen geringeren Energiebedarf und geringeren Wartungsaufwand, so ist der Kunde bereit zu investieren, wenn er eine Amortisation in einem akzeptablen Zeitraum erwarten kann.

Andere Impulse können in neuen Verfahren und Aufgabenstellungen begründet liegen. Darin liegt auch ein Risiko, da bestehende Produkte möglicherweise zukünftig nicht mehr benötigt werden.

Dann können Absatzmärkte verloren gehen und Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, falls es ihnen nicht gelingt, die verlorengegangenen Produkte durch neue zu substituieren.

Grundsätzlich sollten Entwicklungen von der Kundenseite getrieben werden. Die eigentliche Kunst besteht darin, heute besser zu wissen, was der Kunde benötigt, als er das selber weiß. Das ist nur möglich, indem Unternehmen mit den Aufgabenstellungen und den Verfahren und Prozessen in der Kundschaft vertraut sind. Der alleinige Maschinenlieferant hat lange ausgedient. Heute bedarf es eines Lösungslieferanten, der mit seinen Produkten und Dienstleistungen Aufgaben beim Kunden erledigt. Wie und mit welcher Technik er das vollbringt, ist dabei sekundär.

Ein zunehmend wichtiger Punkt ist die Wartung, Instandhaltung und Troubleshooting bei unseren Produkten. Die Komplexität generell aller Erzeugnisse hat zugenommen. Diese Erfahrung haben wir alle gemacht. Wer früher bei seinem VW Käfer den Motor ausgebaut hat, wird heute bei einem VW Golf kapitulieren. Ähnlich geht es unseren Kunden, speziell was die elektronische Steuerungstechnik angeht. Da sind Programme beteiligt, deren Komplexität nur von wenigen Fachleuten verstanden wird. Kommt es zu einem Problem, so ist der normale Anwender überfordert. Gleiches gilt für die Mechanik, da die Montage optimiert ist, und diese nur in einer festgelegten Reihenfolge durchgeführt werden kann.

Aber nicht nur Anforderungen der Kundschaft können Entwicklungen initiieren. Neue Fertigungs- und Behandlungsverfahren wie z.B. das HFMI-Verfahren (High Frequency Mechanical Impact => Nachbehandlung von Schweißnähten zur Reduktion der Kerbwirkung) ermöglichen es den Werkstoff höher zu belasten und damit Gewicht, Antriebsleistung und eine höhere Zuverlässigkeit zu erzielen.

Während in der Vergangenheit eine neue Entwicklung schnell in Stahl und Eisen umgesetzt wurde, können heute beinahe alle Dinge berechnet werden. Komplexe Simulationsprogramme auf leistungsfähigen Computern stehen zur Verfügung, um Festigkeiten, Strömungen, Magnetfelder usw. zu berechnen.

So konnten für die neuen JM-Antriebe die Magnete in verschiedensten Konfigurationen und Ausführungen vorab berechnet werden. Die rechnerisch gefundene Lösung wurde direkt umgesetzt und hat in der abschließenden Erprobung die prognostizierte Leistung erbracht.

Abbildung 1: Magnetische Induktion im JM6

Ähnlich verhält es sich beim J-Flow, dessen Geometrie in einer Strömungssimulation optimiert wurde, ohne dass irgendetwas dafür angefertigt werden musste. Schließlich konnte in der Entwicklung mit Hilfe der CFD (Computational Fluid Dynamics => Numerische Strömungssimulation) das Laufrad des J-Flow optimiert werden, sodass der Energiebedarf um mehr als 40% reduziert wurde. Wir waren durch den Einsatz der CFD besser in der Lage, die Eigenschaften des Laufrades zu bestimmen als der Lieferant des Laufrades.

Abbildung 2: Stromlinien im J-Flow 900

Natürlich ist die erforderliche Software teuer und es Bedarf Erfahrung und Wissen, diese zielgerichtet einzusetzen. Der Zeitgewinn und die Einsparungen bei der Anfertigung und den Modifikationen an Prototypen betragen demgegenüber jedoch ein Vielfaches. Häufig ergeben sich Möglichkeiten im Open Source Bereich Software zu finden, die kostenlos, auch im kommerziellen Umfeld eingesetzt werden darf.

Nachstehend ist beispielhaft die Geometrieoptimierung an der Bodenwanne des JM6 dargestellt. Durch Entfernen von gering beanspruchten Bereichen, kann das Gewicht und der Bauraum reduziert und die Festigkeit des eingesetzten Werkstoffes ausgenutzt werden.

Abbildung 3: Gestaltoptimierung am Beispiel Bodenwanne JM6

Besondere Fortschritte sind in der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik in den letzten Jahren zu bemerken. Es gibt viele Sensoren und Aktoren, die sich neben hoher Leistungsfähigkeit durch Robustheit und geringe Kosten auszeichnen. Das ermöglicht die Überwachung und Steuerung von Maschinen und Anlagen und deren Optimierung.

Ein Schlagwort in diesem Bereich ist Predictive Maintenance (vorbeugende Wartung), d.h. das Versagen des Bauteils einer Maschine wird rechtzeitig erkannt und es wird in einem geplanten Wartungsstillstand ausgetauscht, bevor es durch seinen Ausfall den laufenden Betrieb unterbrechen kann.

Die gesammelten Messwerte der verbauten Sensoren sind in Zusammenhang zu setzen und zu korrelieren, um den Zustand der Maschine und deren Leistungsstand zu erfassen. Das wird in den nächsten Jahren eines der wichtigsten Themen werden.

Von besonderer Bedeutung ist, dass die Entwicklung auf die Unterstützung des gesamten Unternehmens angewiesen ist. Von Seiten der Entwicklungsabteilung kommen merkwürdige Ideen und Gedanken, die nicht in jedem Fall nachzuvollziehen sind. Aber ohne den Rückhalt aller, werden aus diesen Gedanken und Ideen niemals erfolgreiche Produkte. Jeder Hinweis, jedes Mitdenken, jeder Rat ist willkommen und wird Berücksichtigung finden.

Mein persönlicher Lieblingsspruch ist dazu: „Blamiere dich täglich“. Also sag alles, was dir dazu einfällt, es mag sich im ersten Moment unsinnig und verrückt anhören. Ob es das wirklich ist, bedarf einer genaueren Nachprüfung.

Um ein innovatives, der Zukunft zugerichtetes Unternehmen zu sein, müssen die Mitarbeitenden neugierig sein, neuen Dingen und Technologien offen gegenüberstehen, ihr Handeln und Denken immer wieder hinterfragen und sich nie mit den nächstbesten Lösungen zufriedengeben. Dazu muss man den Anspruch an sich selbst stets hochhalten und bereit sein, Anforderungen von verschiedensten Seiten sportlich anzunehmen.

Thomas Hypki

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